Angscht a Schrecken beim zweeten Deel vun »Angscht a Schrecken zu Köln«

Ich habe Angst, dass sich die »Köln-Saga« zu mehr als einer Triologie entwickelt. Es ist einfach so unglaublich viel passiert, dass es nicht möglich ist, sich kurz zu fassen. In dieser Stadt vergeht die Zeit in sehr merkwüdigen Bahnen. Wahrscheinlich Sägezahn. Es kommen wieder vor: Sexshops, Faust, Fußgänger, tollwütige Radfahrer und irgendeine Kneipe in Ehrenfeld.


Für diejenigen, die die letzte Episode verpasst haben und nicht wissen, dass man alle Angscht a Schrecken-Folgen auf joeladami.net findet, ein paar Stichwörter, mit denen sie sich etwas zusammenreimen können: Forum zu Perspektiven Europäischer Jugendpolitik, Internationalisierung, Köln, Getreidesilo, Explosionsgefahr, Faust, Angst, Nachtclubs mit undurchsichtigen Fenstern, Sexshops, Schrecken, Karnevalshochburg, kleines Auto mit unsäglichem Interrieur.

Wir waren also in Köln angekommen. Nach einer mehr oder weniger erfolgreichen Parkplatzsuche beschlossen wir, dass es für unser Hab und Gut sehr viel besser sein würde, wenn das kleine Auto mit dem hässlichen Interrieur in einem Parkhaus oder in einer Tiefgarage stehen würde. Die andere Alternative wären langfristige Rückenschäden gewesen, aber auf die wollte niemand sich einlassen.

Die Tiefgarage war wie so ziemlich alle Tiefgaragen der Welt. Es roch merkwürdig, das Klima hatte ein wenig was von dem eines Gewächshauses, nur nicht so warm, und es standen überall Autos herum die dem Besitzer genau dadurch Geld brachten. Großstädte unterschieden sich also doch nicht so sehr von dem, was man in der Provinz gewohnt war. Zumindest in Sachen Tiefgaragen.

Ein erster kleiner Kulturschock kam, als wir ans Tageslicht traten. Menschen! Viele Menschen! Und noch dazu auf dem Bürgersteig! Anders als man es von luxemburgischen Straßen gewohnt war, wurden die Bürgersteige in Köln auch benutzt. Wahrscheinlich wird die Einsicht, dass es nicht unbedingt schneller geht, wenn für jede Strecke ein Auto benutzt, auch irgendwann einmal bei meinen Mitbürgern ankommen.

Ein wenig Angst und Schrecken kamen auf, als wir ein Brauhaus betraten, wohin unsere Reiseleiter im Rahmen eines touristischen Programms uns entführt hatten. Ein enger Eingang, in dem ein paar Tische standen. Ich fragte mich, wer sich in den Gang zwischen Küchenaufzug, Toiletteneingang und Eingang zu den beiden Speiseräumen setzen wollte. Menschen, die keine Zeit hatten und nur schnell ein Kölsch trinken wollten? Waren es Menschen, die so hässlich waren, dass sie sich nicht trauten, in den Speisesaal einzutreten? Oder waren diese Tische nur Dekoration, um den Gang nicht so leer wirken zu lassen?

Das Essen im Brauhaus war gut, und auch das Kölsch, dieses merkwürdige und irgendwie „wässerige“ Bier, das man in der Karnevalshochburg servierte, mundete mir. Aber hier war wieder ein wenig Angst und Schrecken zutage: Hatte man sein Glas zu etwa 7/8 (Sieben Achtel) ausgetrunken, wurde einem sofort ein neues gebracht. Ich fand das unheimlich. Natürlich kann man das nur als geschickter Trick, um die Rechnung in die Höhe zu treiben, ansehen, aber es war mehr. Es war die angsteinflössende Aufforderung zum Trinken, so als ob alle Kölner heimlich Unterwäsche mit dem Spruch „Ich bin viel zu viel oft nüchtern!“ tragen würden.

Weiter ging die Köln-Tour mit einem Besuch in einer Einkaufstraße, wo ich wieder einmal über die großen Menschenmassen staunte. Wo kamen die Leute alle her? Und viel wichtiger noch: Wo gingen sie alle wieder hin? In meinem Hirn brannte ausserdem noch eine andere Frage: Wo würden wir die Nachtruhe verbringen? Bei unseren Reiseleitern gingen ständig Telefonate ein, aber so richtig verstand ich das alles nicht. Angst und Schrecken waren ständige Reisebegleiter in Köln.

Ich glaube, dass es hier war, wo mich zum ersten Mal ein Fahrrad fast über den Haufen gerannt hätte. Auch das eine ungewöhnliche Erfahrung, da Radwege davor für mich etwas waren, was generell nur gebaut, aber nie benutzt wurde.

Da war auch ein Sexshop in dieser bunt gemischten Einkaufstraße. Wir betraten ihn. Und hier gab es nichts, was wirklich Angst und Schrecken erregte. Oder über erregte. Lustige Bücher mit wunderbar durchsichtigen zweideutigen Titeln, alle im Reich der Porno-Fantasy angesiedelt in dem gleichen Regal wie schmutziges Sexspielzeug und vergilbte Sexheftchen. Das einzige, was mir einen Schauer über den Rücken laufen liess, war der Wandteppich mit Elivs. Was um alles in der Welt hatte Elvis in einem Sexshop verloren?

Ein Mitglied unserer Gruppe liess sich die Haare in einem billigen und sehr hippen, trendigen Friseursalon schneiden und färben. Ich werde nicht erwähnen, wie das Resultat nach 2 Wochen aussah. Ich fand es sofort nach der Behandlung sehr ansehlich.

Während der Wartezeit besuchten die restlichen ¾ der Reisegruppe ein Kaufhaus, in dem es nur spezielle Outdoor-Sachen gibt. Damit man diese high-Tech Kleidung die einen vor Wind, Sonnenbrand, Sturm, Hagel, Schienenersatzverkehr und sonstigen Wettereinflüssen schützt, sofort testen kann, gibt es dort Tauchbecken, Kältekammern, Regensimulatoren und Quallenaquarien.

Ausser einigen wenigen Anflügen von Höhenangst waren Angst und Schrecken diesem Kaufhaus fern geblieben. Sie hatten sich warhscheinlich auch eine neue Frisur machen gelassen.
Nach diesen Abenteuern ging es sofort in das Kölner Nachtleben bzw. in das Kölnerfeierabendleben. Eine Kneipe irgendwo in Ehrenfeld. Obwohl, eigentlich war die Kneipe nicht „irgendwo in Ehrenfeld“. Die Kneipe war gegenüber von Condomi, einem Laden für Präservative, den angeblich jeder in Köln kennt. Und die Leute im Condomi kennen die Kneipe, die ja eigentlich bloss gegenüber und relativ sichtbar ist. Vor allem sind die Mauern voller Aufkleber, Sticker und sonstigem festklebendem, glänzendem Papier.

Wir warten eine Zeit lang auf das das fehlende Viertel unserer Reisegruppe. Es verging relativ viel Zeit, vor allem floß viel Kölsch meine Kehle hinunter. Als das Viertel der Reisegruppe, das auf jeden Fall anonym bleiben möchte, eintraf und wir ihre neue Frisur und Kleidung bewunderten, ging es munter weiter mit dem Alkohol, vor allem wurde der ab diesem Zeitpunkt stärker.

Irgendwann wurde dann beschlossen, den Standort zu wechseln. Also ab in die U-Bahn, schwarz gefahren, irgendwo wieder hinausgestiegen, und rein in eine Location, die sich „Underground“ nennt. Da war es so leer wie sonst nur in luxemburgischen Lokalen ab 1 Uhr, aber der kurze Aufenthalt dort genügte, um erkannt zu werden. Ich erkannte allerdings nicht, dass ich erkannt wurde, und so bliebt dieser Besuch im Underground mit Angst und Schrecken in Erinnerung.

Wir gingen – oder torkelten weiter in die Richtung einer Punkkneipe. Ich hatte keine Ahnung, wo die sein sollte, aber wir hatten unsere Reisebegleiter, die sich glücklicherweise in der Stadt auskannten. Uns kamen eine Menge junger Menschen entgegen, die von irgendeinem Konzertveranstalter rausgeworfen worden waren.

Angst und Schrecken erfassten mich. Wieso wurden diese Leute einfach so vor die Tür geworfen? Und warum waren sie schon gegen 10 Uhr abends sternhagelvoll, so dass einige kaum noch laufen konnten?

Das sei so üblich, erklärte man mir. Ein Konzert beginne um 6 Uhr und gegen 10 würden die Leute schon rausgeworfen, damit danach die nächste Party steigen konnte. Da waren mir stickige, ehemalige Autowerkstätten doch lieber.

In der Punkkneipe war es ähnlich unheimlich. Da spielte eine Band, die klang, so wie jede Band klingt, die in einer schmutzigen Punkkneipe mit Biergarten spielt. Schrub, schrub, ich kann zwei Akkorde, ich bin Punk. So oder so ungefähr. Wir tranken trotzdem, und schon wieder tranken wir schärferen Alkohol.

Nach einer ein klein wenig angetrunkenen Zeit verliessen wir auch diese Kneipe und wendeten uns wieder dem Underground zu. Der Weg dorthin kam mir auf einmal länger vor. Die kalte kölner Nachtluft liess Sauerstoff in meine Lungen, was meinem Körper nicht unbedingt half, den Alkohol abzubauen. Angst und Schrecken hatten mich. Würden wir noch mehr besoffenen, vielleicht sogar gewaltbereite Jugendlichen treffen? Was würde uns im Underground erwarten? Wo würden wir diese Nacht verbringen? Würde ich je all diese Erlebnisse in eine angemessene Anzahl von Folgen Angscht a Schrecken pressen können? Und vor allem: Was war eigentlich mit Faust los?