Diese Folge ist auf Deutsch, da sie sich hauptsächlich in Deutschland abspielt und ich das Prinzip der Internationalisierung gar nicht mal so schlecht finde. Was nicht heißt, dass künftig alle Angscht a Schrecken Folgen auf Deutsch sein werden.
Als Gonzojournalist muss man öfters mal an Konferenzen teilnehmen. Das gehört eben zum Beruf. Ich sollte an dem 7. Forum zur Perspektiven Europäischer Jugendpolitik mit dem Thema „Bildungschancen in Europa“ teilnehmen. Und ich habe dies auch getan. Dieses Forum mit dem viel zu langen Namen, das komischerweise auch der Startabschusspunkt für das neue Programm „Jugend für Europa“ war, fand in Köln statt.
Köln ist in vielerlei Hinsicht eine interessante und schöne Stadt. Es gibt Stadtteile mit so schönen und wohlklingenden Namen wie Zollstock, Nippes oder auch Ehrenfeld. Die Stadt hat einen Dom, oder wie die Einheimischen sagen: die größte Bahnhofskapelle der Welt. Ehe ich zu diesem Forum reisen sollte, hatte ich Köln schon zwei mal besucht. Einmal wegen des Zoos und einmal wegen Bauwagenplatztourismus. Für die Hörer, die nicht wissen, was ein Bauwagenplatz ist: So etwas wie ein Zelt- oder Campingplatz, nur mit Bauwägen. Und mit dem Unterschied, dass die Leute das ganze Jahr über da wohnen und der Grund, auf dem sie stehen, nicht immer oder eher selten ihnen gehört.
Die Reise nach Köln begann, wie sich viele Hörer vielleicht denken können, in Luxemburg, genauer gesagt in dem Ort, der den zweit tiefsten Punkt des Landes markiert. Weshalb dort drei Flüsse zusammenfliessen. Ich hatte das mit den Flüssen immer für deine zufällig geographische Begebenheit gehalten, aber dann irgendwann mal erklärt bekommen, dass beide Fakten, also zweittiefster Punkt und 2 Mündungen, etwas miteinander zu tun hatten. Ich fand das merkwürdig, habe aber nie mehr darüber nachgedacht.
Wir hatten uns entschlossen, auf unsere Öko-Heiligenscheine zu pfeiffen und die Reise mit dem Automobil anzutreten. Trotzdem begann unsere Fahrt auf dem Bahnhof des eben genannten Ortes. Oder eher auf dem Bahnhofsparkplatz, der im Schatten eines gigantischen Getreidesilos liegt. Ich hatte immer schon Angst, dieser Silo würde irgendwann einmal explodieren. Durch Gärung oder ein verwandtes Phänomen. Ich stellte mir vor, wie es eine faulige, kaum hörbare Explosion geben würde und das angefaulte Getreide vom Himmel regnen würde, die Straße bedecken würde und sich wie Konfetti unbemerkt unter die Kleidung und von dort in alle möglichen und unmöglichen Körperöffnungen schleichen würde.
In dem Sinne war ich froh, dass es bald los ging, auch wenn die erste Station unserer Reise nur 500 Meter vom Bahnhofsparkplatz entfernt lag, so war die Tankstelle, die wir ansteuerten, immerhin nicht mehr im Schatten des überdimensionierten Getreidesilos.
Tankstellen haben, wie ich schon öfters in dieser Serie erwähnt habe, einen ganz eigenen Mikrokosmos. Zum Glück stand dieses Mal kein ehemaliges Nicht-Ganz-Topmodel mit seinen merkwürdigen Freunden mit einem gelben Plüschschwamm auf der Tankstelle. Es waren auch keine seltsamen Gestalten wie zum Beispiel Toni zu sehen. Nur alte Bekannte, deren Namen nicht mit A oder mit S beginnen.
Hier muss ich kurz abschweifen: Die Serie Angscht a Schrecken wird oft „A & S“ abgekürzt. Dies ist keine Anspielung an die Initialien gewisser Personen. Im Gegenteil, es bezeichnet einfach bloß Angst und Schrecken.
Als wir uns mit genügend ekligen Dosengetränken, die wach machen und sonstigen essbaren Schandtaten der chemischen Industrie eingedeckt hatten, ging die Reise los.
Durch einen Defekt mussten die beiden Menschen auf der Rückbank des Fahrzeugs ihre Gurte miteinander verbinden. Dies stellte kein wirkliches Problem dar, liess mein Vertrauen in das Fahrzeug, das man mit Recht auch „Eierbecher“ hätte nennen können, ein wenig sinken. Anderseits war ich so von dem schrecklichen Interieur abgelenkt, dass ich kaum Zeit hatte, mir um Fahrtsicherheit Gedanken zu machen.
Mit vollgepacktem Kofferraum, verbundenen Gurten, Lebensmittelverbrechen der chemischen Industrie und wahrscheinlich auch meinen beiden alten Bekannten Angst und Schrecken ging die Reise nun endgültig los. Raus aus dem Loch, dass man den zweit tiefsten Punkt des Landes nennt, weg von der Gefahr, eine Siloexplosion eines überdimensionierten Getreidesilos mitzuerleben, in Richtung Osten.
Für Luxemburger liegt ganz Deutschland im „Osten“, was mitunter zu Verwirrungen führen kann. Ich werde also versuchen, keine politisch gefärbten Himmelrichtungen mehr zu verwenden. Wir fuhren, auf der Landkarte gesehen, nach rechts.
Nach nicht allzu langer Zeit kamen wir dann in der Bundesrepublik an. Eine kleine unscheinbare Brücke diente als Grenzübergang über die Sauer. Die Sauer ist ein Fluss, der später in die Mosel mündet. Wahrscheinlich am tiefsten Punkt des Landes. Oder so.
Wir waren raus aus Luxemburg. Hinter uns lag Mandy, das verhinderte Topmodel, Toni, der Rastamann, Reporter mit dornigen Akten und merkwürdiger Aussprache, ein explosionsgefährdetes überdimensioniertes Getreidesilo, der Osten Luxemburgs und weitere Dinge und Personen, die Angst und Schrecken verursachten. Aber meine beiden Bekannten waren mit in diesem kleinen Auto mit einem sehr hässlich eingefärbten Interieur.
Sie machten sich bemerkbar, als wir die Autobahn nicht fanden. Oder auf jeden Fall nicht wirklich. Man möchte meinen, Deutschland sei aufgrund von historischen Begebenheiten voll von Autobahnen, so dass man unmöglich eine halbe Stunde durch die Pampa fahren kann, ohne zumindest einer Schnellstraße zu begegnen. Aber dies war möglich.
Wir fuhren quer durch die Eifel, vorbei und durch Döfer mit Namen wie „Geckler“ oder etwa „Gaytal“, wobai das „Gay“ wie das englische „Gay“ geschrieben wird. Angst und Schrecken machten sich langsam bemerkbar, vor allem als Pläne laut wurden, mich in einen Sexshop zu entführen und mich in merkwürdige Lederkleidung zu stopfen.
Sollte ich doch lieber froh darüber sein, dass wir irgendwo im Nirgendwo der Eifel waren und noch nicht in der pulisierenden Großstadt, die mir auf einmal nicht mehr so fröhlich und farbig vorkam, sondern mehr wie etwas sehr gefährliches.
Irgendwann waren wir bei Sankt Vith. Für die Hörer, die es nicht wissen: Das liegt in Belgien. Wir wollten nach Köln. Köln liegt jedoch nicht in Belgien.
Angst und Schrecken machten sich breit. Würden wir je den Weg in die Karnevalshochburg finden? Würde dort aus irgendeinem merkwürdigen Grund Karneval sein? Was würde mir in den Sexshops passieren? Wieso waren wir auf einmal in Belgien?
Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses Umweges fanden wir die richtige Autobahn mit Schildern, auf denen Köln stand. Die Karnevalshochburg und Stadt mit der größten Bahnhofskapelle der Welt konnte also gar nicht mehr so weit sein.
Zur Erheiterung der Fahrgemeinschaft lasen meine beste Freundin, die den Hörern nicht unbekannt ist, Goethes Faust. Das heißt, wir lasen den Text laut vor. Da wir jedoch nur zwei Sprecher hatten, mit denen wir sämtliche Personen besetzen mussten, ließen wir viele Textpassagen mit mehr als zwei Personen einfach aus.
Das ganze wird Angst und Schrecken wohl erheitert haben, denn die meldeten sich sogleich beim Erreichen der Metropole am Reihn wieder zurück.
Wir waren da, in diesem Chaos aus Autos, Fußgängern und tollwütigen Radfahern. Ich weiß nicht, ob das der normale Status Quo in deutschen Großstädten ist, aber für einen Luxemburger ist es sehr befremdlich, mehrmals im Tag FAST von Radfahern über den Haufen gerannt zu werden, nur weil man zufälligerweise auf deren Fahrbahn steht, die oft nicht wirklich gut vom Bürgersteig zu unterscheiden ist.
Wir sahen die gewöhnlichen Dinge, die man in einer Großstadt so sieht: Sexshops, Nachtclubs mit getönten Scheiben, Schnellimbissbuden, Straßenbahnschienen und viele viele Radfahrer.
Wir waren angekommen.
Trotzdem, oder gerade deswegen hatten Angst und Schrecken mich. Was würden die nächsten Tage bringen? Würde man mich wirklich in einen Sexshop zwingen? War Toni uns nicht doch gefolgt? Wo würden wir die Nacht verbringen? Würden gewisse Drohungen, in Tanzlokale mit getönten Scheiben zu gehen, wahr werden? Was war das omniöse Tourismusprogramm, das immer wieder erwähnt wurde? War das Getreidesilo explodiert? Und vor allem: Was war eigentlich mit Faust los?
Diese und/oder ganz andere Fragen werden in der nächsten Folge beantwortet, denn wir waren ganze vier Tage in Köln, was die Schilderung in nur einer Episode unmöglich macht…